Nachdem das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, dass Arbeitgeber bereits nach geltendem Recht verpflichtet sind, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, liegen nun die Entscheidungsgründe für den Beschluss vor.
Die wesentlichsten Punkte sind:
1. Die tatsächliche Arbeitszeit ist zu erfassen
Arbeitgeber müssen Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit erfassen – einschließlich Überstunden und Pausenzeiten. Folglich besteht die Zeiterfassungspflicht für die tatsächliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers. Ein Schicht- oder Dienstplan wird zukünftig nicht mehr ausreichend sein.
Arbeitgeber müssen auch stichprobenartig prüfen, ob die Arbeitnehmer das System der Arbeitszeiterfassung nutzen und ihre Arbeitszeiten erfassen.
Zudem stellt das BAG fest, dass es möglich ist, die Aufzeichnung der Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer zu delegieren. In der Unternehmenspraxis bietet sich hierfür eine entsprechende Richtlinie sowie – in den mitbestimmten Unternehmen – eine Betriebsvereinbarung an, in denen das Verfahren zur Zeiterfassung verbindlich geregelt ist und die Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Nutzung des Zeiterfassungssystems verpflichtet.
2. Form der Arbeitszeiterfassung bisher nicht vorgegeben
Solange der Gesetzgeber keine konkretisierende Regelung getroffen hat, kann unter anderem die Form des Systems frei festgelegt werden. Die Zeiterfassung muss daher nicht zwingend elektronisch erfolgen, sondern kann auch – je nach Tätigkeit und Unternehmen – in Papierform erfolgen.
Hier ist der Gesetzgeber gefordert, genauere Vorgaben zu machen.
3. Vertrauensarbeitszeit bleibt weiterhin möglich, muss aber erfasst werden
Im Hinblick auf Vertrauensarbeitszeit (im eigentlichen Sinn) ergeben sich keine tiefgreifenden Änderungen. Vertrauensarbeitszeit meint dabei, dass der Arbeitnehmer den Beginn und das Ende seiner täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen kann. Der Arbeitgeber verzichtet dafür auf Kontrollen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeiten auch einhält (so auch BAG, Urteil vom 26. Juni 2019, Az. 5 AZR 452/18). Dabei sind die gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes wie Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen, Ruhezeiten sowie das Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot – vor wie nach dem Beschluss des BAG – zu beachten. Die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer entscheiden können, wann sie arbeiten und sich ihre Arbeitszeit frei einteilen können, bleibt also grundsätzlich weiterhin bestehen.
Neu ist, dass Arbeitgeber nicht mehr auf jedwede Dokumentation der Arbeitszeit verzichten können. Das BAG hat in seinen Urteilsgründen klargestellt, dass Beginn und Ende (und damit die Dauer) der täglichen Arbeitszeit sowie Pausenzeiten und Überstunden erfasst werden müssen.
4. Keine Zeiterfassung für leitende Angestellte
Bereits das Arbeitszeitgesetz ist nicht anwendbar auf “echte” leitende Angestellte. Zu dieser Gruppe dürften allerdings nur die wenigsten Arbeitnehmer zählen, da die Anforderungen hierfür recht hoch sind. Das betrifft insbesondere Führungskräfte, die zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitenden berechtigt sind oder eine nicht unbedeutende Prokura haben.
Weitere Ausnahmen sind nach der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) für Arbeitnehmer möglich, deren Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden kann. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht. Denkbar wäre es etwa – wie in anderen EU-Staaten –, Lohngrenzen festzulegen, oberhalb derer die Aufzeichnungspflicht nicht gilt.
5. Verstoß gegen die Erfassungspflicht führt nicht zu unmittelbaren Konsequenzen
Laut dem BAG besteht für Arbeitgeber eine “objektive gesetzliche Handlungspflicht”, ein Zeiterfassungssystem einzurichten. Grundsätzlich müssen Arbeitszeiten daher ab sofort erfasst werden. Arbeitgeber können nicht auf den Gesetzgeber warten. Trotzdem müssen Arbeitgeber nicht vorschnell agieren. Ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz ist nicht unmittelbar bußgeldbewährt und stellt keine Ordnungswidrigkeit dar. Die zuständige Behörde muss, um ein Bußgeld verhängen zu können, zunächst anordnen, dass die Arbeitszeit im Betrieb erfasst werden soll. Erst, wenn einer entsprechenden Anordnung einer Arbeitsschutzbehörde nicht Folge geleistet wird, drohen Geldbußen.
Beschluss des BAG und seine Entscheidungsgründe: BAG_Begruendung_Arbeitszeiturteil
Quelle: Bund der Selbständigen – Gewerbeverband Bayern e. V.