Aktuelles, Berufspolitik

Weg mit der
Rezeptprüfpflicht und her mit einem Sitz im G-BA

Farbige sprechblasen symbolisieren Kommentare

Ein Kommentar zur Verschiebung der Heilmittel-Richtlinie.

Therapeuten unterliegen der Rezeptprüfpflicht. Sie sind verpflichtet, ärztlich ausgestellte Heilmittelrezepte auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Unterläuft dem ausstellenden Arzt ein Fehler, verpflichtet das Gesetz nicht den Arzt, sondern den Therapeuten für Korrektur zu sorgen. Damit leisten Therapeuten bürokratische Hilfsarbeiten für die Krankenkassen. Unbezahlt wohlgemerkt.

Es ergibt sich eine systemwidrige und für alle Beteiligten unerträgliche Situation: Therapeuten werden zu Kontrolleuren der Ärzte. Systemwidrig ist auch die wirtschaftliche Haftung der Therapeuten für Verordnungspannen der Ärzte. Denn übersieht der Therapeut einen Fehler, haftet er mit wirtschaftlichem Verlust. Ein Unding!

Um Abhilfe zu schaffen, sollte ab Oktober eine neue Heilmittel-Richtlinie helfen, Ärzten das Ausstellen der Rezepte zu vereinfachen und den unbezahlten Verwaltungsaufwand der Therapeuten zu verringern. Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf ist die Umstellung der Software in den Arztpraxen. Nun geisterten letzte Woche Meldungen durch die Netzgemeinde, die Heilmittel-Richtlinie trete erst ab 1. Januar 2021 in Kraft. Schuld sei die fehlende Software in den Arztpraxen.

Was war dran an den vermeintlichen News? Die Pressestelle des Gesundheitsministeriums sah sich auf Nachfrage nicht zuständig und verwies auf den G-BA: „Die Heilmittelrichtlinie einschließlich der Termine für das Inkrafttreten von Änderungen ist eine Selbstverwaltungsangelegenheit und erfolgt daher in eigener Verantwortung durch den Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).“

Gestern informierte dann der G-BA in einer Pressemitteilung, die neue Heilmittel-Richtlinie trete tatsächlich erst am 1. Januar 2021 in Kraft. Wer war an dieser Entscheidung nicht beteiligt? Die, die es betrifft – die Heilmittelerbringer. Therapeuten haben keinen Sitz im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Es kommt aber noch übler. Meldungen im Netz informierten auch über eine Verschiebung des Inkrafttretens der überarbeiteten Rahmenverträge auf den 1. Januar 2021, und – jetzt wird es noch interessanter, einen Anstieg der bundeseinheitlichen Preise ab 1. Oktober 2020 um 3,5 Prozent. Die Erhöhung diene als Entschädigung für den anhaltenden Verwaltungsaufwand, hieß es in den unbestätigten Meldungen. (Die Verbände hatten in den gesetzlich festgelegten Vergütungsverhandlungen rund 50 Prozent ab 1. Oktober gefordert) Nun muss man wissen, dass eine Verschiebung der genannten Frist einer gesetzlichen Änderung Bedarf und Vergütungen in der Regel zwischen GKV Spitzenverband und den maßgeblichen Verbänden verhandelt werden. Es sei denn, es ist Pandemie und der Gesundheitsminister kann Änderungen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes vornehmen. Nun, ob es so sei, oder nicht, bleibt das Bundesgesundheitsministerium in seiner Antwort auf eine Anfrage noch schuldig.

Immerhin fand gestern eine Videokonferenz mit allen Beteiligten (Verbände, KBV, G-BA, BGM) statt, in der über die Verschiebung der Heilmittel-Richtlinie informiert wurde. Aber: Definitive Entscheidungen zur Verschiebung des Inkrafttretens der bundesweiten Rahmenverträge, ließen alle Verantwortlichen, auch Verantwortliche des BMG offen. Warten wir auf die nächsten Tage. Sie werden mit Sicherheit spannend.

Kommen wir nun zur Rezeptprüfpflicht zurück. Das Software Problem ist seit Jahren bekannt. Nicht erst seit dem Bekanntwerden einer neuen Heilmittel-Richtlinie, die, übrigens, seit Dezember feststand. Nun frage ich mal konkret: Wieso reichen keine zehn Monate, um Arztpraxen mit entsprechendem Equipment auszustatten? Gleich, ob es an den Softwareherstellern oder an wem auch immer liegt – warum sollen Therapeuten für die Unzulänglichkeiten anderer aufkommen und weiterhin unbezahlte Verwaltungstätigkeiten verrichten?

Anders gefragt: Wenn es so einfach scheint, im Rahmen einer Pandemie, mit Hilfe des Infektionsschutzgesetzes, bestehende Gesetze zu ändern – warum nicht die Rezeptprüfpflicht abschaffen und Therapeuten einen Sitz im G-BA einräumen? Der Wille für Veränderungen scheint da. Doch Wille allein reicht nicht.

Daniela Driefert