Berufspolitik

Therapeuten unter Druck: Fragen zum
Infektionsschutz –
Bundesministerium für Gesundheit antwortet

Drei Fragezeichen auf drei Wuerfeln dargestellt

Effektiver Infektionsschutz ist in der Corona-Pandemie unverzichtbar. Das Bundesministerium für Gesundheit hat daher Regelungen zum Schutz der Bevölkerung (Testverordnung, Impfschutzverordnung, Hygienepauschalen) getroffen. Doch in der Umsetzung häufen sich die Probleme.

Physiotherapeuten behandeln vulnerable Gruppen wie Schlaganfall- und onkologische Patienten, Multiple Sklerose, Parkinson-, Schädel-Hirntrauma-Patienten, Infantile Cerebralparesen oder führen postoperative Behandlungen durch. Die Behandlungen finden im Pflegeheim sowie in stationären Einrichtungen, im ärztlich verordneten Hausbesuch oder in einer ambulanten Praxis statt. Nach der Corona-Impfverordnung § 2 Nr. 2 und 5 besteht für Physiotherapeuten, aufgrund ihrer Tätigkeit, ein Anspruch auf Schutzimpfung mit höchster Priorität.

Leider hapert es in der praktischen Umsetzung. So klagen ambulant tätige Physiotherapeuten in Berlin und weiteren Bundesländern über eine fehlende Berücksichtigung in der Terminvergabe. Die Mitarbeiter in den Impfzentren vertrösten Physiotherapeuten auf spätere Termine, das Pflegepersonal wird geimpft, die Therapeuten vergessen. Bernd Liebenow, stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender des VDB-Physiotherapieverbandes hat im Impfzentrum Berlin nachgefragt: „Physiotherapeuten stehen nicht auf der Liste der Berufe mit höchster Priorität“, lautete dort die Antwort. Termine würden nur mit QR Code vergeben. Den Code erhalte der Impfberechtigte in einer Einladung per Post. Eine schriftliche Anfrage des Landesvorsitzenden beim Berliner Senat mit der Bitte um Richtigstellung der Impfprioritäten gemäß Impfverordnung blieb unbeantwortet.

Was sagt der Bund dazu? Die Pressestelle des Bundesministeriums für Gesundheit antwortete auf Anfrage unserer Redaktion so: „Die Impfungen gegen COVID-19 werden durch die Bundesländer organisiert und durchgeführt. Die Coronavirus-Impfverordnung regelt in den §§ 2 bis 4, welche Personengruppen prioritär geimpft werden sollen. Die konkrete Umsetzung, insbesondere auch die Frage der Terminvergabe und gegebenenfalls gesonderter Einladungen obliegt der Verantwortung der Länder.“

Zweites Problem: Die Berufsgruppe der Physiotherapeuten hat nach der Coronavirus-Testverordnung V Paragraph 4 in Verbindung mit Paragraph 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 9 Infektionsschutzgesetz einen Anspruch bei asymptomatischem Personal auf kostenfreie Reihentestung. Der Test kann bei einem Arzt oder in einem Testzentrum einmal wöchentlich erfolgen, der die Leistung mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnet. Leider lassen sich je nach Bundesland – z.B. NRW, Niedersachsen – nur schwer Ärzte finden, die dazu bereit sind. Physiotherapeuten dürfen die Schnelltestungen nicht durchführen, benötigen die Testungen aber dringend für ärztlich verordnete Hausbesuche im Pflegeheim. Die Nationale Teststrategie – herausgegeben vom Bundesgesundheitsministerium – empfiehlt Heilmittelpraxen eine Reihentestung ab einer Inzidenzzahl von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern. Aufgrund der schwierigen Situation fordern Physiotherapeuten, ambulant tätigen Physiotherapiepraxen zu gestatten, das Personal eigenständig zu testen und für die Kostenerstattung eine Abrechnungsposition einzurichten.

Eigentlich ein konkreter Lösungsansatz, um medizinisch ausgebildeten Therapeuten eine unkomplizierte Testung auch zum Schutz der Patienten zu ermöglichen, doch das Bundesministerium für Gesundheit erklärt auf Anfrage: „Durch die am 16. Januar 2021 in Kraft getretene Erste Verordnung zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung wird klargestellt, dass neben Ärztinnen und Ärzten auch Zahnärztinnen und Zahnärzte, medizinische Labore und Apotheken mit der Durchführung von Tests beauftragt werden können.“ Und: „Bei Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, die in Pflegeheimen tätig sind oder in solchen Einrichtungen Patienten besuchen, werden die Testungen über die Einrichtung durchgeführt.“

Doch genau diese Lösung funktioniere oft nicht, berichten Therapeuten in den sozialen Medien. Viele Pflegeheime forderten einen negativen Test vor Betreten des Hauses, ohne den Test anzubieten. Therapeuten beklagen zudem den großen Zeitaufwand, der mit der Testung im Pflegeheim, wenn er angeboten wird, verbunden sei.

Drittes Problem: Die Corona-Pandemie erfordert zur Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus erhöhte Hygienemaßnahmen. In Physiotherapiepraxen findet permanente Flächendesinfektion statt, medizinische MNS und FFP2 Masken werden eingesetzt, Augenschutz, erhöhte Heizkosten aufgrund Lüftungsmaßnahmen fallen an, Ausfallzeiten wegen Arbeitnehmerschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit Maskentragezeiten, Einmalhandschuhe und gegebenenfalls Schutzkleidung. Derzeit vergüten die gesetzlichen Krankenkassen pro Verordnung 1,50 Euro Hygienepauschale – für mindestens sechs Termine und somit sechs Patienten-Therapeuten-Kontakte. Derzeit steigt der Unmut in der Heilmittelbranche aufgrund der zu gering angesetzten Pauschale. Die Redaktion der Therapie + Praxis hat im BMG nachgefragt, wie Therapeuten mit der Vergütungsleistung die Hygienekosten decken können und welche Berechnung der Vergütungsleistung zu Grunde liege. Die schriftliche Antwort des Gesundheitsministeriums lautet: „Bei der Bemessung der Höhe der Hygienepauschale für Heilmittelerbringer wurde berücksichtigt, dass viele Materialien mehrfach (Mund-Nasen-Maske) oder dauerhaft (Plexi-Glas-Scheibe) verwendet werden können beziehungsweise auch unabhängig von der Pandemie zur Ausstattung einer Heilmittel-Praxis zählen und angewendet werden sollten (Desinfektionsmittel). Zudem wurde davon ausgegangen, dass Patientinnen und Patienten ihren eigenen Mund-Nasen-Schutz zur Behandlung mitbringen.“

Nun gut. Darüber kann gestritten werden. Doch sollte in einer Pandemie nicht dem Infektionsschutz höchste Priorität eingeräumt werden?

In diesem Sinne: Eine Nachbesserung an der einen oder anderen Stelle würde Therapeuten den Rücken stärken, zur Vermeidung der Verbreitung des Coronavirus beitragen und die flächendeckende Versorgung mit medizinischen Leistungen stützen. (dad)